Allmenda

"Wir geben Geld einen Sinn"

  • In Dornbirn, mitten im dynamischen Rheintal, sorgt die Allmenda-Genossenschaft mit unorthodoxen Ideen für Furore. Egal ob regionale Währungen, Bürgerkraftwerke oder Imkerei - jedes Mittel ist recht, wenn es um kreatives Wirtschaften für eine bessere Welt geht. Obmann Gernot Jochum-Müller erklärt im „cooperativ“-Gespräch die „Wundertüte“ Allmenda.

    „cooperativ“: Ihr Angebot reicht von der Währung VTaler über Solarkraftwerke bis zur Bienenzucht. „Alles, was Sinn macht“, lautet Ihr Unternehmensmotto. Was macht denn die Allmenda nun genau?

    Gernot Jochum-Müller: Ein großes Thema ist das gemeinschaftliche Finanzieren von sinnvollen Projekten – etwas Bürgerkraftwerke mit erneuerbarer Energie oder eben auch Bienenzucht. Wir wollen damit Geld einen neuen Sinn geben. Es soll nicht um Rendite gehen, sondern um den „Social Impact“. In diesem Bereich sind wir Experten und können auf eine große Community zurückgreifen. Der zweite Schwerpunkt sind Regionalwährungen. Es geht dabei darum, vorhandenes Geld im Ort zu binden, damit es bewusst bei Betrieben in der Region ausgegeben wird.

    Ist Regionalität nicht gegen den Trend der Zeit? Globalisierung heißt doch das Zauberwort. Was stört sie daran?

    Die Globalisierung hat viele wunderbare Effekte. Die Welt rückt dadurch enger zusammen. Das Problem liegt in den Spielregeln unseres Geldsystems: Reiche werden immer reicher, Arme immer ärmer. Die 62 reichsten Menschen auf der Erde besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, sagt eine aktuelle Oxfam-Studie. Da läuft etwas schief. Und klar ist: Wenn Regionen in der globalen Welt bestehen wollen, müssen sie ihre Stärken ausspielen. Wir brauchen starke regionale Strukturen, Lebensqualität vor Ort.

    Woher kommt eigentlich der Name Allmenda?

    Allmenda kommt von Allmende oder Allmeinde, wie es bei uns heißt. Ab dem Mittelalter war das die Gemeinweide, die von allen im Ort genutzt werden konnte. Die Analogie macht Sinn: Auch bei uns geht es um gemeinschaftliches Wirtschaften in bestimmten Bereichen.

    Zu Ihren Hauptprojekten gehören Regionalwährungen. Wie erfolgreich sind Sie damit?

    Am besten läuft das in Langenegg, einer 1.100-Einwohner-Gemeinde im Bregenzerwald. 20 Prozent der Bewohner beziehen dort monatlich die Langenegger Talente. Ein Talent entspricht dabei einem Euro. Bei 15 Betrieben sind sie einlösbar. Das Regionalgeld zirkuliert, es wird damit eine Wertschöpfung von über 650.000 Euro im Jahr generiert. Das sichert Arbeitsplätze und auch den Fortbestand des Dorfladens. Diese Regionalwährung gibt es nun schon seit neun Jahren. Unser erster Export über Vorarlberg hinaus ist der NEUKI, das Regionalgeld in Neukirchen an der Vöckla in Oberösterreich. Nach zweieinhalb Jahren hat jetzt die erste Evaluierung des Projekts stattgefunden: 60 Prozent der Bürger gaben an, jetzt deutlich mehr im Ort einzukaufen als vorher. Die Schließung des Dorfladens ist damit vom Tisch. Mit einem Netzwerk von 250 Betrieben in ganz Vorarlberg funktioniert der VTaler. Pro Jahr emittieren wir Scheine im Wert 120.000 Euro. Und das Potential ist noch lange nicht ausgeschöpft.

    Wer sein Geld in der Region ausgeben will, kann das auch ohne Regionalwährung tun. Wo liegt also der Vorteil Ihres Modells?

    50 Prozent des Projektes bestehen aus Bewusstseinsbildung. Der Schein in der Geldtasche ist die tägliche Erinnerung: Kauf öfter mal vor Ort ein!

    Hat Ihr Regionalgeld wirklich den Charakter einer Währung, oder ist es eher ein Gutschein?

    Es ist eindeutig näher an der Währung. Der große Unterschied zu klassischen Wirtschaftsgemeinschaftsgutscheinen ist, dass Kreisläufe entstehen. Regionalgeld wird regelmäßig bezogen, die Scheine zirkulieren, wechseln häufig den Besitzer.

    Ihr Regionalgeld ist 1:1 in Euro umtauschbar. Wer garantiert dafür?

    Das machen wir bei der Allmenda. Wir führen dazu vor Ort Bankkonten. Der komplette Nennwert der im Umlauf befindlichen Regionalwährung ist tagesaktuell verfügbar. Der Tausch in Euro wäre also jederzeit einfach möglich. In der Regel haben wir auch Banken als Ausgabestellen für die Regionalwährungen mit im Boot - leider noch keine Volksbanken.

    „Wir sind Zentralbank, Bank, Ausgabestelle, Betrieb und Staatsdruckerei in einem“, haben Sie einmal gesagt. Was denkt denn die Finanzmarktaufsicht darüber?

    Wir haben sehr früh die Positionen mit der FMA geklärt, sind lange mit Juristen zusammengesessen. Nun sind die Rahmenbedingungen geklärt, es gibt grünes Licht für das, was wir machen.

    Sind eigentlich schon „Blüten“ Ihrer Regionalwährungen aufgetaucht?

    Nein. (lacht) Einerseits haben die Scheine zahlreiche Sicherheitsstandards - fluoreszierend eingedrucktes Logo, Prägestempel, Textilfasern. Andererseits wäre die Herstellung von Falschgeld nicht sinnvoll. Das klappt besser in Euro, wo der Markt größer ist. Einmal wurde im Gemeindeamt von Langenegg eingebrochen. Die Kassa mit dem Regionalgeld war weg. Der Bürgermeister nahm es locker rief den Einbrecher dazu auf, das Geld im Ort auszugeben. Nur dort ist es ja gültig. Aufgetaucht ist es aber nie...

    Was sind die nächsten Ausbauschritte beim Regionalgeld?

    Wir wollen mit dem VTaler expandieren - mit mehr Betrieben, mehr Abonnenten. Zudem wollen wir neue Gemeinden und Regionen auch außerhalb Vorarlbergs ansprechen. Wir stehen als Abwicklungspartner zur Verfügung - vom Druck der Scheine bis zur IT bieten wir alles aus einer Hand.

    Sie bauen und finanzieren ja auch genossenschaftliche Bürgerkraftwerke mit Solarenergie. Wie weit sind Sie da?

    Bei diesem Projekt geht es darum, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Wir organisieren Dächer, die sich für Solarzellen eignen und bieten die Möglichkeit, ab 500 Euro in solche Projekte zu investieren. Drei Anlagen laufen schon, ein großes Bürgerkraftwerk am Dach des Bauhofs Bregenz und zwei private Kleinanlagen. Aktuell haben wir fünf weitere Anlagen bei der OeMAG (der Abwicklungsstelle für Ökostrom, Anm.) zur Förderung eingereicht. Wir wollen damit bis zu 380.000 Euro in erneuerbare Energien investieren. Ich lade alle ein, Anteile zu zeichnen und mitzumachen. Wir werden dazu auch eine Kooperation mit der CrowdCoopFunding-Genossenschaft eingehen.

    Wie laufen die Projekte ab? Was passiert mit dem Geld des einzelnen Investors?

    Wir sammeln das Geld als Allmenda ein und finanzieren damit den Bau der Solaranlagen. Nach 15 Jahren ist eine solche Anlage in der Regel abbezahlt. Bis dahin bieten wir ein Prozent Fixverzinsung, die wir sehr gerne auch in Regionalwährung auszahlen. Da die KESt von der Genossenschaft getragen wird, sind die Konditionen durchaus attraktiv.

    Welche Rolle spielt das Imker-Projekt bei der Allmenda?

    Das passt wunderbar zum Thema „Gemeinsam Dinge finanzieren, die Sinn machen“. Die Idee wurde vom Landesimkerverband an uns herangetragen. Der Hintergrund: 150 Personen pro Jahr besuchen Kurse für Jungimker. Um dann als Imker tätig zu werden, sind aber 2.000 Euro an Investitionen für Ausrüstung erforderlich. Wir finanzieren das vor. Was uns besonders freut: Die erste Imkerin, die beim Projekt mitgemacht hat, möchte statt Geld in Form von Honig zurückzahlen. Es wird heuer also erstmals Allmenda-Honig geben. Den können wir dann wiederum als alternative Zinszahlung für die Bürgerkraftwerke anbieten...

    Warum wird die Allmenda als Genossenschaft betrieben?

    Wir haben uns sehr bewusst für diese Rechtsform entschieden. Sie bietet den Vorteil der einfachen Mitgliederverwaltung wie beim Verein und zugleich klare Regelungen für die Haftung. Und sie hat den Status eines Unternehmens. Wir können zudem jederzeit wachsen, neue Mitglieder aufnehmen. Und wir können aktive Mitbestimmung leben: Mehr als ein Drittel unserer Mitglieder kommt zur Generalversammlung. Demokratie ist uns einfach wichtig.

    Sehen Sie sich eigentlich als Weltverbesserer?

    Wir betreiben unsere Projekte nicht missionarisch. Wir wollen aber ein deutliches Statement abgeben für eine Art des Wirtschaftens, die mehr mit gemeinschaftlichem Handeln zu tun hat und weniger mit eigenem Vorteil.

    Was können wir in Zukunft noch an Ideen von Ihnen erwarten?

    Das Modell der Zeitvorsorge wird ein großes Thema. Das geht so: Junge Menschen und rüstige Senioren helfen bei der Betreuung von älteren. Statt Geld bekommen sie dafür eine Zeitgutschrift. Diese können sie später im Alter für die eigene Betreuung einlösen. Hintergrund ist, dass der Bedarf an Betreuung steigt, die öffentliche Hand sich aber mit der Finanzierung immer schwerer tut. Wir können eine Gruppe aktivieren, die bisher nicht aktiv war, einen Pool an Personen schaffen, die bereit sind, gesellschaftlich wichtige Aufgaben zu übernehmen. Die Umsetzung soll gemeinsam mit Städten und Regionen in ganz Österreich erfolgen. Interessierte können sich bei der Allmenda melden.

    Gernot Jochum-Müller ist Unternehmensberater in Dornbirn und seit ihrer Gründung Obmann der Allmenda. Am 25. Februar 2016 wurde er als Fellow in die renommierte Ashoka aufgenommen, eine weltweite Non-Profit-Organisation zur Förderung von sozialem Unternehmertum. Ihr bekanntestes Mitglied ist der Nobelpreisträger Muhammad Yunus. Im Rahmen seiner Fellowship will sich Jochum-Müller der Verbreitung von Regionalwährungen und dem Thema Zeitvorsorge widmen.

    Die Allmenda Social Business eG mit Sitz in Dornbirn wurde 2008 gegründet, mittlerweile hat sie über 150 Mitglieder. Die Tätigkeitsfelder reichen von der Herausgabe von Regionalwährungen bis zur Finanzierung von Bürgerkraftwerken und anderen gesellschaftlich sinnvollen Projekten. Internet: www.allmenda.com