Hohe Auszeichnung

Genossenschaftsidee zum Weltkulturerbe erklärt

  • Hohe Auszeichnung für die Arbeit der Genossenschaften und ihrer Mitglieder auf der ganzen Welt: Die UNESCO hat die Idee der Genossenschaft zum Immateriellen Weltkulturerbe erhoben. Dieser wichtige Schritt ist Auszeichnung und Auftrag zugleich.

    Die einstimmige Entscheidung fiel bei der jüngsten Jahrestagung des Weltkulturerbe-Komitees der UNESCO in Addis Abeba (Äthiopien). Mit der Aufnahme in die Liste des Immateriellen Kulturerbes verpflichten sich die 171 UNESCO-Mitgliedsstaaten zum Schutz und zur Förderung der Genossenschaft. Es ist dies bereits die zweite internationale Würdigung dieser Rechtsform binnen kurzer Zeit. 2012 hatte die UNO das „Jahr der Genossenschaften“ ausgerufen.

    „Modell der kooperativen Selbsthilfe und Selbstverantwortung“

    „Eine Genossenschaft ist eine freiwillige Vereinigung von Menschen mit gleichen Interessen, die individuelles Engagement und Selbstbewusstsein fördert“, erklärte die UNESCO. Sie begründete ihre Wahl damit, dass die Genossenschaft eine allen offen stehende Form der gesellschaftlichen Selbstorganisation sowie ein Modell der kooperativen Selbsthilfe und Selbstverantwortung sei. Das Modell fördere die soziale, kulturelle und ökonomische Partizipation, indem Mitglieder durch den Erwerb von Anteilen zu Miteigentümern würden. Dabei sichere das Prinzip “Ein Mitglied, eine Stimme” für jedes Mitglied die Möglichkeit der Mitbestimmung.

    Der Antrag zur Aufnahme in die UNESCO-Liste wurde von der Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft, die das Deutsche Genossenschaftsmuseum im sächsischen Delitzsch betreibt, und der deutschen Raiffeisen-Gesellschaft gestellt. Die Schutzwürdigkeit der Genossenschaftsidee wurde dabei unter anderem durch die „drohende Verwässerung genossenschaftsrechtlicher Inhalte” und die weitere Angleichung an die Rechtsform der Kapitalgesellschaften begründet. Zudem sei die Bewahrung genossenschaftlicher Prinzipien durch den “sinkenden Bekanntheitsgrad innerhalb der jüngeren Bevölkerung” bedroht. Das liege auch daran, dass in vielen Bildungseinrichtungen kaum noch Wissen über die Rechtsform vermittelt werde.

    Genossenschaften als weltweites Erfolgsmodell

    Im Antrag wird betont, dass wichtige Grundsteine für die Genossenschaft wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland von Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen gelegt wurden. Eine der ersten gewerblichen Genossenschaften der Welt entstand am 1. Dezember 1849 in Delitzsch. In der Schumacher-Assoziation taten sich 57 Handwerker zusammen, weil jeder einzelne mit seinem Geschäft nicht überlebensfähig war. Der Jurist Schulze-Delitzsch beriet die Schuhmacher bei der Gründung. Bereits zuvor hatte es Initiativen in Frankreich und England gegeben, etwa durch die Redlichen Pioniere von Rochdale.

    In Österreich wurde 1872 nach dem Vorbild von Schulze-Delitzsch der Allgemeine Verband der auf Selbsthilfe beruhenden Erwerbs und Wirtschaftsgenossenschaften, der Vorläufer des ÖGV, gegründet. Ein Jahr später trat das Genossenschaftsgesetz in Kraft. Heute wirtschaften in Österreich rund 1.800 Unternehmen in dieser Rechtsform – ob als Kredit-, Konsum-, Wohnbau-, landwirtschaftliche oder gewerbliche Genossenschaften. Weltweit sind rund 800 Millionen Menschen in Genossenschaften organisiert.