Hans Bauer im Talk

"Kundenbeziehung bleibt unsere Stärke"

  • Mit Ende März hat sich Hans Bauer (62), langjähriger Vorstandsvorsitzender der Volksbank Niederösterreich Mitte, in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. „cooperativ“ blickte mit im auf 43 Jahre Erfahrung im Bankgeschäft, davon 25 Jahre bei der Volksbank, zurück.

    „cooperativ“: Wie geht es Ihnen in Ihrem neuen Lebensabschnitt?

    Hans Bauer: Mir geht es hervorragend. Ich habe ein tolle Familie, zwei Enkelkinder und ein großes Haus. Vor allem aber bin ich seit 40 Jahren glücklich verheiratet. Wobei ich weiß, dass ich hier viel gutzumachen habe, denn während meiner Berufslaufbahn war ich einfach zu selten zu Hause. In der Regel saß ich schon ab 6.30 Uhr in der Bank, und am Abend gab es dann noch die Repräsentationstermine. Das ist jetzt anders: Ich habe mehr Zeit, war seit meiner Pensionierung schon viermal auf Urlaub. Was mich auch sehr freut: Ich habe bei meinem Abschied große Wertschätzung von den Mitarbeitern erfahren. Das werde ich mein Leben lang nicht vergessen.

    Sie haben den größten Teil ihres Lebens in Banken verbracht, die meiste Zeit davon in der Volksbank. Wie haben Sie in dieser Zeit den Wandel des Bankgeschäfts erlebt?

    Die Veränderungen sind schon unglaublich. In meinem ersten Bankjahr haben wir die Zinsen noch händisch ausgerechnet. Damals konnte man aber auch noch mehr investieren, heute muss man als Bank jeden Cent dreimal umdrehen. Die Verwaltung muss sparsamer sein, Filialen stehen auf dem Prüfstand. Ich fürchte mich ein wenig vor dieser Entwicklung, allerdings ist es notwendig, sich dem Thema zu stellen und es nicht auf die lange Bank zu schieben. Eines ist aber über die Jahre gleich geblieben: Es zählt letztlich die Beziehung zum Kunden. Die hat uns auch über die jüngste Krise geholfen. Das ging so weit, dass Kunden unseren Mitarbeitern tröstend auf die Schultern geklopft und erklärt haben, dass sie zu ihrer Volksbank stehen.

    Was waren für Sie persönlich die positivsten Erfahrungen?

    Ganz klar der Kontakt zu Kunden, Mitarbeitern, Funktionären und Vorstandskollegen. Mit vielen von ihnen konnte ich durch dick und dünn gehen. Helmut Emminger etwa war so einer. Wir haben uns immer blendend verstanden.

    Fusionen sind für Sie nichts Neues: Bereits in den 90ern hat sich Ihre Volksbank Herzogenburg mit jener in Loosdorf zusammengeschlossen, später dann Herzogenburg mit St .Pölten. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

    Ganz klar: Jede Fusion bringt Veränderungen, mit der sich Mitarbeiter, aber auch Führungskräfte schwer tun. Das Wichtigste ist, dass man allen Beteiligten reinen Wein einschenkt und stets offen informiert. Soweit wie möglich muss man sie von der Notwendigkeit der Fusion überzeugen und ins Boot holen. Nur so kann man Reibungsverluste minimieren. Wichtig ist auch, das umzusetzen, was man sich vorgenommen hat, und sich auch vor den Großbaustellen wie der Struktur des Filialnetzes nicht zu drücken.

    In der Volksbank Niederösterreich haben die jüngsten Fusionen letztlich allesamt geklappt. Wie konnten Sie Mitglieder und Mitarbeiter überzeugen?

    Als fix war, dass es nur eine Volksbank Niederösterreich mit Hauptsitz in St. Pölten geben wird, habe ich mich ins Auto gesetzt und alle betroffenen Banken besucht. Es gab unzählige Termine und Besprechungen, aber die Zielrichtung Fusion war klar. Offenheit und Ehrlichkeit sind hier wichtig. Kritisch war es in Tulln: Da wurde mir nach dem ersten negativen Votum in der dortigen Generalversammlung von meinen Vorstandskollegen Herbert Blauensteiner und Christian Schilcher die Möglichkeit eingeräumt, gemeinsam mit dem Betriebsratsvorsitzenden zu sprechen und anschließend bei einer Betriebsversammlung teilzunehmen. In der ersten Phase dieser Versammlung war bei allen Teilnehmern die Anspannung zu spüren, und am Anfang dachte ich: Das geht schief! Doch mit zunehmender Dauer stellt sich eine leichte Entspannung ein. Wesentlich dabei war auf jeden Fall, dass sowohl der Vorstand als auch der Betriebsratsvorsitzende positive Argumente eingebracht haben. Wichtig ist einfach, nicht das Blaue vom Himmel zu versprechen, sondern auch die Nachteile offen anzusprechen. Letztlich muss man aber auch allen Beteiligten klar sagen: Die Fusionen sind die einzig Chance zu überleben.

    Ist es Ihnen schwer gefallen, wenn Sie Filialen schließen mussten?

    Ja, klar. Aber wenn 40 Prozent der Kunden nur noch zwei Mal pro Jahr in die Filiale kommen, muss man reagieren. Ich habe mir das nie leicht gemacht und immer alle Faktoren geprüft. Etwa: Wie weit ist der Weg zur nächsten Filiale? Aber genau so, wie wir unseren Firmenkunden raten, sich aus verlustbringenden Bereichen zurückzuziehen, müssen wir als Bank auch selbst kalkulieren. Manchmal haben Filialen dasselbe Problem wie der kleine Greißler mit dem großen Supermarkt: Die Kunden kommen zwar regelmäßig, erledigen aber nur Kleinigkeiten und beheben Bargeld, die lukrativen Veranlagungsgeschäfte schließen sie dann woanders ab. Das kann nicht funktionieren.

    Sie bleiben dem Verbund als Vorstandsvorsitzender der VB Niederösterreich Mitte Beteiligung e.G. erhalten. Wie wollen Sie dieses Amt anlegen?

    Ich mische mich natürlich nicht mehr operativ ein, aber es wird ganz entscheidend sein, dass der Informationsaustausch zwischen den Verwaltungsgenossenschaften und der Bank-AG funktioniert. Dazu muss es weiterhin Veranstaltungen für die Mitglieder geben. Es obliegt vor allem den Funktionären, sich konstruktiv einzubringen. Ich bin optimistisch, dass dieser Austausch klappt: Immerhin stehen die konkreten Mitarbeiter und Führungskräfte im Einzugsgebiet der Genossenschaft ja nach wie vor als Ansprechpartner zur Verfügung. Aus der Genossenschaft entsandte Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder müssen Personen zum Angreifen bleiben. Wenn es uns nicht gelingt, das Genossenschaftswesen lebendig zu halten, werden wir zu einer zweiten Bank Austria.

    Wo sehen Sie die Perspektiven dabei? Ist es noch möglich, neue Mitglieder zu werben?

    Ich habe mir darüber lange den Kopf zerbrochen, Arbeitskreise mit dem Marketing gebildet und Modelle anderer Genossenschaftsbanken angeschaut. Meiner Erfahrung nach hat es sich am besten bewährt, wenn Mitarbeiter jene Kunden, die einen Kredit aufnehmen wollten, auch gleich ermutigt haben, Anteile an der Bank zu zeichnen. Die meisten Kunden schätzen es einfach, gesellschaftlich an der Bank mitzuwirken und in ein Netzwerk mit Informationsaustausch eingebunden zu sein. Nachdem der Verbund seine Probleme bewältigt hat, kann man damit wieder verstärkt werben. Auch das Hindernis der Haftsummen ist ja aus dem Weg geräumt.

    Wie beurteilen Sie die Zukunftschancen der Volksbanken?

    Unsere Zukunft liegt in den eigenen Händen. Es gilt, sich gut aufzustellen, mit einer sparsamen Verwaltung und einheitlichem Auftreten nach außen – allerdings angepasst an die jeweiligen regionalen Bedürfnisse. Wenn all diese Hausaufgaben gemacht sind, kann man im Kundengeschäft wieder offensiver sein. Unser Vorteil gegenüber dem Mitbewerb ist dabei die funktionierende Beziehungsebene zwischen Mitarbeiter und Kunde. Sogar jene Kunden, die zunächst sagen, sie brauchen das alles nicht, wissen die persönliche Beratung irgendwann wieder zu schätzen. Spätestens dann, wenn sie vor wichtigen Lebensentscheidungen stehen. Wie finanziere ich mein erstes Auto, wie die erste Wohnung?