Blick nach vorn

"Volksbanken zukunftsfit machen"

  • Im Juni 2015 ist er angetreten, um die Volksbanken aus einer schwierigen Phase heraus wieder auf Kurs zu bringen. Mittlerweile stehen die Weichen für die Zukunft: Generaldirektor Gerald Fleischmann über die Strategie für den Erfolg des Sektors.

    „cooperativ“: Herr Generaldirektor, die neue Geschäftsstrategie ist von allen Gremien beschlossen, die Fusionen sind auf Schiene, jetzt steht noch der neue Verbundvertrag an. Welche Bedeutung hat der für den Sektor?

    Gerald Fleischmann: Der neue Verbundvertrag ist der letzte große Schritt hin zur neuen Zielstruktur. Wir haben ihn mit Aufsicht und Volksbanken gemeinsam vereinbart. Jetzt steht der nächste Meilenstein bevor: Der Vertrag muss bis Ende März in den General- und Hauptversammlungen genehmigt werden. Wenn wir das schaffen, ist der Weg in die Zukunft endgültig frei. Die Hürde bei der Kapitalisierung haben wir ja schon genommen: Mit einer Kernkapitalquote von rund 11,5 Prozent liegen wir weit über dem Österreich-Schnitt.

    Können Sie sich nun also zufrieden zurücklehnen?

    Auf keinen Fall! Jetzt gilt es, die Erträge zu steigern und gleichzeitig die Kosten zu reduzieren. Wir brauchen eine Eigenkapitalrendite von acht Prozent und darüber. Denn auch als genossenschaftlich organisierte Bank müssen wir profitabel sein. Gleichzeitig müssen wir effizienter werden. Das Ziel ist eine Cost-Income-Ratio von 60 Prozent, derzeit liegen wir bei 80.

    Sie sind noch relativ neu im Sektor. Was sind bisher Ihre Eindrücke?

    Ich glaube, dass der Volksbanken-Verbund einen großen Vorteil hat: Durch die Probleme, die zu meistern waren, sind alle Beteiligten enger zusammengerückt. Es ist dabei auch eine neue Diskussionskultur entstanden, die lösungsorientiert ist und das Gemeinwohl in den Vordergrund stellt.

    Wifo-Experte Franz Hahn findet in dieser Ausgabe des „cooperativ“ viel Lob für die neue Struktur der Volksbanken. Er bezeichnet sie als Role Model für andere Bankensektoren. Ehrt Sie das?

    Natürlich freut es mich, wenn Experten uns bescheinigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Auch Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny hat ja zuletzt die Volksbank-Lösung gelobt. Die Volksbanken haben im Gefolge der ÖVAG-Turbulenzen ihre Hausaufgaben rasch gemacht. Das verschafft uns einen Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern. Aber auf dem Lob können wir uns nicht ausruhen. Wir müssen weiter konsequent unsere neue Strategie verfolgen. Als äußeres Zeichen des Wandels haben wir auch unseren Slogan verändert: „Vertrauen verbindet“ statt „V wie Flügel“.

    Keine Bank kommt in den nächsten Jahren ohne massive Filialschließungen aus. Mit 480 Standorten in ganz Österreich sind die Volksbanken noch immer sehr präsent vor Ort. Wird sich der Volksbanken-Sektor dem großen Trend entziehen können?

    Bevor jetzt wieder der große Abgesang auf die Filiale kommt, stelle ich klar: Mit mir wird es das nicht geben. Natürlich haben wir es mit einer fundamentalen Veränderung im Kundenverhalten zu tun: Manche Produkte - ich denke da an den Zahlungsverkehr - funktionieren in Zukunft wohl digital. Aber für andere braucht es weiter die Filiale mit ihren Beratern - sei es beim Wohnbaukredit, der ja eine Lebensentscheidung ist, bei der Finanzierung der neuen Produktionshalle, des neuen Geschäftslokals oder auch beim Wertpapierkauf. Wir setzen daher verstärkt auf Beratungszentren vor Ort mit der gesamten Palette an Services. Kleinere Einheiten müssen wir dagegen hinterfragen.

    Viele Mitarbeiter machen sich Sorgen, dass sie dem Sparstift zum Opfer fallen.

    Die fundamentalen Veränderungen in Sektor betreffen natürlich auch die Mitarbeiter. Aber eher dahingehend, dass sich die Anforderungen an die Jobs ändern. Unsere Planungen sehen vor, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird. Hoch motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter bleiben unser wichtigstes Asset als Beraterbank. Sie sind unsere Lebensversicherung. Das ist keine Floskel, das steht genau so schwarz auf weiß in unserer Geschäftsstrategie drin. Was unsere Mitarbeiter gerade in den schwierigen letzten Jahren geleistet haben, ist unglaublich und macht mich stolz.

    Dennoch müssen die Kosten runter?

    Ja, das ist in diesem Umfeld alternativlos. Aber das schaffen wir am besten, indem wir auf Einfachheit und Effizienz setzen. Hier ist durch die Fusionen viel Potential zu heben. Wir wollen die Zahl der Produkte radikal reduzieren - von 700 auf etwa 50. Im Wesentlichen geht es darum, Kredite zu vergeben, Einlagen entgegenzunehmen und den Zahlungsverkehr bereitzustellen. Es gilt, Prozesse zu vereinfachen, die Regulatorik-Bürokratie auf ein Minimum zu reduzieren. Das hilft uns auch, mehr Zeit für das Wesentliche freizuschaufeln: die Beratung unserer Kunden. Wir dürfen nicht vergessen: Der komplexe Hintergrund interessiert den Kunden nicht, er will nur unsere Leistung. Sein Leben ist schon kompliziert genug.

    Wie wollen Sie aus den vielen kleinen Banken eine einheitliche Unternehmenskultur formen?

    Den gemeinsamen Spirit der Volksbank-Familie gibt es schon. Im Mitarbeiterzelt bei der Skiflug-WM am Kulm habe ich ihn gespürt. Es geht um das gemeinsame Ziel, die Volksbanken zukunftsfit zu machen. Und: Unsere gemeinsamen Wurzeln und genossenschaftlichen Prinzipien werfen wir ja nicht über Bord. Wir werden auch nur das zentralisieren, was zentralisiert besser funktioniert. Die einzelnen Banken bleiben in vielen Bereichen autonom.

    Bei manchen Produkten setzen Sie auf Kooperationspartner, vor allem die Genossenschaftliche Finanzgruppe.

    Ja, in manchen Bereichen ist es einfach effizienter, Leistung zuzukaufen. Mit der TeamBank haben wir seit Jahren gute Erfahrungen beim Konsumkredit. Und Union Investment ist ein hervorragender Partner für Anlageprodukte.

    Effizient sein und gleichzeitig regional - ist das nicht ein Widerspruch?

    Nein, wir wollen beides. Und unsere neue schlanke, aber gleichzeitig regionale Struktur mit zehn gleichberechtigten Instituten, die sich auf einen Zusammenarbeitsvertrag geeinigt haben, wird uns dabei helfen. Wir sind zwar groß genug, um Synergien zu heben, aber immer noch klein genug, um nah am Kunden in der Region zu sein. Hier bleiben wir unserer Tradition treu und ziehen gleichzeitig die Lehren aus der Finanzkrise: Wir werden uns auf unser Kerngeschäft in Österreich konzentrieren. Und vergessen wir nicht, wem die Volksbanken gehören: Als Genossenschaftsbanken - auch wenn manche davon AGs sind - stehen wir letztlich im Eigentum unserer österreichischen Kunden. Wir sind also durch und durch österreichisch, Entscheidungen fallen bei uns in Innsbruck, Salzburg, St. Pölten oder Wien, nicht in Mailand.

    Direkt oder indirekt über die Beteiligungsgenossenschaften sind rund 700.000 Österreicher Mitglieder der Volksbanken. Welche Rolle spielen die Genossenschafter?

    Wir sind stolz auf unsere Wurzeln, die genossenschaftliche Idee ist weiterhin lebendig. Auch das Magazin „cooperativ“ leistet zur Genossenschaftsentwicklung ja einen wichtigen Beitrag. Ich persönlich freue mich über jede Einladung von den regionalen Genossenschaften, da komme ich immer gerne.

    Wo sehen Sie das Geschäftsmodell der Volksbanken? Woher kommen die Einnahmen?

    Die regionale Wirtschaft mit Krediten zu versorgen, Vorhaben zu finanzieren, ist unsere Kernaufgabe. Den Traum vom Eigenheim eines frisch verheirateten Paares, die neue Produktionsmaschine eines innovativen Unternehmens oder die neue Erntemaschine eines Landwirtes, das wollen wir möglich machen. Mit Hilfe zur Selbsthilfe. So leisten wir unseren Beitrag für die Volkswirtschaft. Daran knüpft auch unser Geschäftsmodell an: Dann lässt sich auch das Wertpapier, die Versicherung oder insbesondere der Zahlungsverkehr verkaufen. Unsere Zielgruppe sind dabei der gehobene Privatkunde, kleine und mittelständische Unternehmen. Wir sind Wohnbau-, Anlage- und Unternehmerbank. Hier wollen wir wieder wachsen. Um große Konzerne sollen sich andere kümmern.

    In der Finanzwelt mehren sich die Stimmen, die für die Abschaffung des 500-Euro-Scheins oder gar des Bargelds als solches eintreten. Was halten Sie von der Debatte?

    Hier muss man differenzieren: Ich persönlich, aber sicher auch die meisten unserer Kunden, hatten im Leben noch nie einen 500er Schein in der Hand. Diese Diskussion ist daher überzogen. Etwas ganz anderes ist die Forderung nach der Abschaffung von Bargeld: Ich glaube nicht an die bargeldlose Welt. Ich behaupte: Scheine und Münzen werden noch sehr lange im Geldbörsel der Österreicher sein.